Was ein quietschgrüner Plastikfrosch mit Altersvorsorge zu tun hat

Verzeihen Sie mir die provokative Frage, aber sie muss jetzt einfach mal heraus. “Sind die eigentlich bekloppt?” Mein Respekt verbietet mir, so drastische Worte zu verwenden - und doch, es ist soweit. Am Ende meiner aktiven Beratungstätigkeit muss ich mir einmal Luft verschaffen.

Es geht um eine Berufsgruppe, die medizinische Fachangestellte, die sich auch über 12 Jahre nachdem der erste Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung für die MFA in Kraft getreten ist, noch immer nicht mit ihrer finanziellen Zukunft beschäftigt.

Wie Sie vielleicht wissen, zeichnet sich der TV zur bAV für MFA’s unter anderem dadurch aus, dass nach der Probezeit automatisch eine rein arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge (76€ monatlich für Vollzeitkräfte) einzurichten ist. Die MFA kann darüber hinaus Bruttogehalt umwandeln und bekommt dazu weitere 20% vom Chef. In der Praxis trifft man meist auf Ärzte, die nicht nach Tarif bezahlen. Die bezahlen (meist unwesentlich) höhere Gehälter, womit sie ihrer Meinung nach nicht tarifgebunden sind - also auch keine bAV anbieten. Seit 10 Jahren empfehle ich den Ärzten die bAV nach dem Muster des TV einzurichten, was diese auch mit Blick auf die gegenüberliegende Praxis, tut.

Ich selbst bevorzuge, zu verstehen weshalb ich etwas tue und versuche meinen Kunden, dieselbe Grundlage für ihre Entscheidung zu geben. Deshalb errechne ich mit den Mitarbeitern “per Hand + einem Taschenrechner der die vier Grundrechenarten kann” erst den Unterschiedsbetrag zwischen Gehalt und Rente, dann die Summe des benötigten Kapitals und zum Schluss, wie viel sie dafür ab sofort sparen müssen. Dazu nutze ich meine Belegschaftspräsentation, die sich seit vielen Jahren bewährt hat und die ich immer wieder an neuen Erkenntnissen ausgerichtet habe. In allen anderen Branchen können wir 60 bis 85% der Belegschaft auf dieser Grundlage versorgen.

Lassen Sie uns hier nicht an Liederlichkeiten hängen bleiben, ob die Lücke brutto oder netto ist, dass natürlich kein Geld “unters Kissen” kommt und auch nicht, dass ein Zinsvertrag heute quatsch ist. Lassen Sie uns bei einfachen, für den gesunden Menschenverstand eines Laien, nachvollziehbaren Fakten bleiben.

Ich habe eine kleine (nicht represäntative und zugegeben etwas provokativ formulierte) Umfrage (Mehrfachnennungen waren möglich) gestartet. Und schauen Sie sich das verblüffende Ergebnis an:

  • Immerhin 50% haben schon einmal etwas von bAV gehört, 75% sind sich dagegen nicht sicher ob vL und bAV eventuell dasselbe sind.

  • Die Frage “Wie viel Geld brauchst Du in Summe, um deine Rente zu finanzieren?” beantworten 75%, so, dass sie sich darüber noch nie Gedanken gemacht haben. 50% glauben, dass ihnen 40.000 € reichen. 25% glauben, dass sie rund 150.000 € brauchen werden.

  • Nur 50% wissen, dass es einen Rechtsanspruch auf bAV gibt und nur 50% wissen, dass der Rechtsanspruch auf bAV in jeder Betriebsgröße gilt. Was bAV ganz genau ist traut sich keine anzukreuzen.

  • Wie groß ist deine Rentenlücke? 25% halten die Rentenlücke für eine Verschwörungstheorie, 50% denken an rund 500€ Lücke und 25% sagen “Ich arbeite Teilzeit und habe einfach kein Geld zum Sparen. Es wird eh nicht reichen. Ich habe resigniert.”

  • Wie viel musst du ab sofort sparen, um später genug Geld zu haben? 50 € halten 75% für ausreichend, nur 25% denken an 300 - 500€.

  • Dass sie auch Kleinstbeträge sparen können, war 100% bekannt. Dass es in Deutschland ein steuerfreies Grundeinkommen gibt bejahten 25%. Den KV/PV-Freibetrag und dass die Betriebsrente (der “Sockelbetrag”) auf Grundsicherung nicht angerechnet wird, wusste niemand.

  • Auf den Partner wollen sich 75% in der Rente verlassen.

  • Für Alleinerziehende ist die Vorstellung, dass im Fall des Ablebens, die Kinder aus der bAV nur 8.000 € bekommen eine extreme Hürde. (Diese Aussage ist unabhängig vom ausgeübten Beruf, solange die Kinder noch nicht auf eigenen Beinen stehen. Erfahrungsgemäß haben die vormals allein erziehenden Mamas sobald ein Lebensgefährte zum Vererben da ist diese Hürde nicht mehr.)

In einem anderen Unternehmen geriet der Versuch, das Empfangspersonal (oft MFA’s) über den Rechtsanspruch auf bAV, den Firmenzuschuss und natürlich die desaströse Versorgungssituation an sich, aufzuklären, zu einem völligen Fiasko: Trotz Weisung per Order Mufti haben 85% der Niederlassungen nicht einmal auf die Einladung (die unter Hinweis auf ihre arbeitsrechtliche Bedeutung erfolgte) überhaupt reagiert.

Ich erinnere mich noch an die Zeit vor 15 bis 20 Jahren. Damals war ich öfter in Arztpraxen unterwegs: Mit demselben niederschmetternden Ergebnis. Den Arzthelferinnen ist einfach nicht zu helfen. Damals hatte ich einen quietschgrünen Plastikfrosch in der Tasche … und manchmal hat der sich auf den Tresen geschwungen und sich zum Küssen angeboten. Damals haben sich noch mehr Arzthelferinnen als heute auf den Mann an ihrer Seite verlassen wollen. Auch wenn es den noch gar nicht gab (und der Chef in besten Händen war).

Auch wenn die kurze Umfrage alles andere als repräsentativ ist, sie spiegelt wider, was wir bAV-Berater, Vermittler, Makler in Arztpraxen (meist) erleben.

Resümee: Selbst mit bestem Wissen, mit den ausgefuchstesten Strategien, mit allen Siegeln, Zertifikaten, Auszeichnungen, exzellenten Kundenbewertungen meinerseits … mit viel Arbeitgeberzuschuss - und sogar mit bedingungslosem Arbeitgeberzschuss, mit Unterstützng der Arbeitgeber, um eine gute Beratungsatmosphäre zu schaffen … es gelingt es nicht, Arzthelferinnen zu versorgen.

Was mich zerknirscht ist, neben dem gefühlten Mißerfolg, dass diese Menschen im Alter auf meine (und Ihre, lieber Leser) Kosten leben werden! Denn die Grundsicherung dieser später auf Unterstützung angewiesenen Frauen (ja, es sind fast zu 100% Frauen) wird durch Ihre und meine Steuern finanziert werden.

Ich plädiere an dieser Stelle für ein Obligatorium. Ein Obligatorium, das die Arzthelferin nicht unterschreiben muss. Ein Obligatorium, das einfach eingerichtet wird. Denn an den Chef’s und an mir liegt’s nicht.

Cordula Vis-Paulus