Don't worry, be rich, Bitch! Roundtable zum Gender Pension Gap 8. März 2022

Gender Pension Gap

Unter dem Begriff Gender Pension Gap versteht man die finanzielle Lücke der Altersversorgung zwischen den Geschlechtern. Krasser ausgedrückt: 1.100 € bekommt heuer ein Mann und grade etwas über 700 € kommt eine Frau in Deutschland. Beide Renten sind nicht ausreichend, keine Frage, aber es ist wichtig,

  • aufzuklären woher die Differenz kommt,

  • Männer und Frauen und Arbeitgeber zu motivieren, sich mit dem Thema zu beschäftigen, mit dem Ziel einer gerechten Altersversorgung für gerechte Familienzeiten/Careeinsätze,

  • Möglichkeiten zu finden, zu gestalten, anzubieten und zu implementieren, die im betrieblichen Umfeld eingesetzt werden können, um das Gender Pension Gap zu verringern,

  • in den Köpfen von jungen Menschen allerlei Geschlechts und Paaren vor und in der Familienbildungsphase zu sensibilisieren, die Vermögensbildung entgegengesetzt zum Einkommen weiter zu betreiben. Gerade in Zeiten mit niedrigerem Einkommen kommt der eigenen Vermögensbildung eine größere Bedeutung zu, denn in dieser Zeit muss die eigene Vorsorge die geringeren Einzahlungen in die gesetzlichen Systeme ausgleichen.

  • Firmen dazu zu ermutigen, sich damit zu beschäftigen, Familie und Arbeit besser zu ermöglichen. Dabei muss es nicht sofort der firmeneigene Kindergarten sein: auch vermeintlich kleine Schritte, wie die Videosprechstunde fürs Baby mit Ausschlag, erleichtern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

  • Frauen dazu zu ermutigen, mit ihren Partnern über die Aufteilung von Elternpflichten und Einkommen zu reden und ihre eigenen Ideen auszusprechen.

  • Ideen zuzulassen, die noch nicht gesagt, nicht veröffentlicht, nicht diskutiert wurden.

  • für Rahmenbedingungen zu sorgen, die es Eltern leicht macht, ihre Kinder guten Erziehen, guten Einrichtungen anzuvertrauen, während sie das Familieneinkommen erarbeiten.

  • Frauen nicht als Rabenmütter dastehen zu lassen, weil sie arbeiten gehen.

  • Stigmen und MindSet ergebnisoffen zu thematisieren und zu diskutieren

  • eine lebenswerte, lebensbejahende, fröhliche Zukunft gemeinsam zu formen.

Woher kommt das Gender Pension Gap?

Teilzeitjobs ergeben eine Teilzeitrente - das wäre die Kurzformel. Aber wird das in Zukunft auch so sein?

Der deutsche Durchschnittsverdienst mit Brutto (3.241 €/Monat) bekommt pro Jahr 1,0 Entgeltpunkt auf sein “Konto” bei der deutschen Rentenversicherung gutgeschrieben. Geht dieser Mitarbeiter auf eine Halbtagsstelle, bekommt er 1.620 € brutto und folglich in die DRV auch nur einen halben Entgeltpunkt.

Jede zweite Frau, 47,9 Prozent, arbeitet in Teilzeit. Bei den Männern ist es knapp jeder Zehnte: 11,2 Prozent. Deshalb ist das Gender Pension Gap weiblich. Es betrifft überwiegendst Frauen.

Das Gender Pension Gap ist das Ergebnis von Teilzeitarbeit und der Entgeltpunktlogik der DRV

Hier gibt’s Entgeltpunkte für Mütter: Die Mütterrente

Was bringt die Mütterrente konkret?

Seit der jüngsten Reform (Mütterrente II) gilt:

  • Für jedes vor 1992 geborene Kind erhalten Erziehende bis zu 2,5 Kindererziehungsjahre auf ihr Rentenkonto angerechnet.

  • Als Verdienst wird der deutsche Durchschnittsverdienst angenommen. Entsprechend gibt es bis zu 2,5 Entgeltpunkte auf das Rentenkonto.

  • Für seit 1992 geborene Kinder gibt es – wie vor der Reform – bis zu drei Erziehungsjahre und entsprechend drei Entgeltpunkte.

Bei mehreren Kindern verlängert sich die Kindererziehungszeit entsprechend, unabhängig vom Zeitpunkt der Geburt. Wer also zum Beispiel vor 1992 geborene Zwillinge erzogen hat, bekommt dafür bis zu fünf Jahre angerechnet.

Mütterrente oder Gender Pension Gap?

Die heutigen Erhebungen basieren zum Einen auf Renten von Frauen, die heute in Rente gehen bzw. sind. Wir sprechen also von Frauen die vor 1954 geboren wurden - mitten ins Wirtschaftswunder Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Es war eine Zeit, in der ein wohlgefälliges Familienbild herrschte mit Aussagen wie “Meine Frau muss nicht arbeiten gehen” und es wurde als Privileg angesehen, wenn der Mann als Alleinverdiener die Familie ernähren und gut durchbringen konnte. Frauen nahmen geduldig Stimmungsaufheller oder schlimmer noch, Antidepressiva, wenn ihnen der Alltag zwischen Kinder, Küche und Kirche öde aufs Gemüt schlug. Die Emanzipation der Frau war noch lange nicht en vogue. Frauen hatten kein eigenes Konto und der Mann musste zustimmen, wenn seine Frau außer Haus arbeiten gehen wollte/sollte/musste. Es war schlicht eine andere Zeit, eine andere Stimmung, eine mit heute kaum vergleichbare Stellung zwischen Mann und Frau.

Seit wann frau in Deutschland was darf ist in diesem interessanten Artikel aufgelistet: Bis 1977 gab es eine im Gesetz vorgeschrieben Aufgabeteilung zwischen Mann und Frau…

Und doch schleppen wir diese (Demuts-)Haltung mit uns herum.

Unbewusst, gelernt aus dem Verhalten der Eltern - Generation Y und Generation Z verwässert durch die Weitergabe tradierter Rollenbilder und tradierter Verhaltensmuster. Es kann noch immer das MindSet zu Geld, finanzieller Autarkie, Aufgabenverteilungen und deren “(Be)Entlohnung” beeinflussen, wie die Eltern der Gen Y und Z über Geld gesprochen haben, ob Mama Karriere gegen Familie getauscht oder unter einen Hut gebracht hat…. und so weiter.

Kurz, das heute bekannte Gender Pension Gap von 50 % mehr Rente für Männer betrifft Frauen, die anders gearbeitet haben als es unsere jungen Frauen heute tun. Die heute vom Gender Pension Gap betroffenen Frauen haben aufgrund der anderen Lebensform nicht zu lange in Teilzeit gearbeitet sondern zu lange überhaupt nicht sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Jede von uns kennt Frauen, die bis heute noch gerne auf 450 €-Jobs beharren “weil es sich sonst ja überhaupt nicht lohnt”.

Ist der 450 €-Jobs die Wiege des Gender Pension Gaps?

Die Frage ist sicherlich berechtigt - auch wenn ihre reine Betrachtung und Beantwortung das Problem nicht löst.

Arbeit soll sich lohen - und das tut sie für viele Frauen, die ihr Teilzeiteinkommen nach Steuerklasse 5 versteuern lassen - eben nicht. Da ist der 450 €-Job, der sich bekannterweise seit 2022 zu einem 520 €-Job gemausert hat in den Augen der Frauen eine willkommene Lösung: “baT” - bar auf Tatze, der Vorläufer des 520 €-Jobs macht weggehen und wiederkommen und eine Putzfrau anheuern weil frau ein bisschen Tapetenwechsel gut bekommt, zu einer lohnenden Sache. Seit 2013 streut ein klein bisschen Rentenversicherungsbeitrag vom Minijob Sand aufs Rentenkonto, woraus weder ein Rentchen und erst recht keine Vollzeitrente wird.

Nestschutz first - und die Altersvorsorge wird auf Eis gelegt

Mit wachsendem Babybauch scheint vielen Frauen der Altersvorsorgewille zu schwinden. Gute Vorsätze, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, gehen in Möhrenbrei und Schlabberlatz unter.

Dabei ist es in dieser Phase besonders wichtig, die eigene finanzielle Unabhängigkeit zu wahren! Auch und gerade für später.

Verständlich (aus Liquiditätssicht) aber unklug ist das Verhalten vieler Frauen, die als junge Familie zu allererst ihre langfristigen Vermögenspläne auf Eis legen. Leider liegen sie dann viel zu oft viel zu lange auf Eis und sind nicht mehr aufzutauen.

Die fatalen Folgen der Vermögensaufbau-Eiszeit:

  1. Junge Verträge befinden sich in den ersten 5 Jahren noch in der Amortisationsphase: Einrichtungsgebühr und Provision müssen sich noch einspielen, das Kapitalanlagemodell läuft noch auf Sparflamme. Wird ein Vertrag in dieser zarten Phase auf Eis gelegt, verzögert sich das Rundlaufen des Kapitalanlagemanagements immer weiter nach hinten. Gegebenenfalls wird es von einem sich verändernden Kapitalmarktumfeld kannibalisiert.

  2. Dadurch werden wichtige Zinsenszinseffekte, deren Entfaltung aus den frühen Vertragsjahren exponentiell ist, nicht möglich oder nur zu einem Bruchteil möglich. Dafür ein kurzes Beispiel: Wenn ein Vertrag 40 Jahre bespart werden soll - welcher Euro wird für das Ergebnis nach 40 Jahren der Wichtigere sein: der im ersten Jahr oder der im 39. Jahr? Die Antwort liegt klar auf der Hand: Natürlich der Euro, der 40 Jahre Zeit hat Zinsbabys zu bekommen. Aus ihm werden 40 Jahre Zinsen (ersetzen Sie bitte im Folgenden Zins durch Performance!) entstehen, die wiederum Zinsbabys und Zinsenkel und Zinsurenkel und Zinsururenkel usw. Das wird also eine riesengroße Sippe von Euros, richtig? Und der Euro der im 39. Jahr eingezahlt wird? Der bekommt nur einmal Zinsen. Punkt. Das wars! Haben Sie jetzt verstanden, dass die ersten Euros für das Entstehen dieser großen Eurosippe (Ruhestandsvermögen) ausschlaggebend, verantwortlich ist? Was also passiert, wenn in dieser jungen Phase die Eiszeit ausgerufen wird? Die riesige Eurosippe KANN Gar nicht entstehen!!!! Generationen exponentieller Zinsen und Zinsenkeln und Zinsurenkeln und Zinsururenkeln KÖNNEN gar nicht das Licht des Kapitalmarktes erblicken! Das geplante Ruhestandsvermögen kann unwiderbringlich nicht entstehen. Nur durch um ein Vielfaches höhere Ein-/Zuzahlungen könnte dieser Verlust wettgemacht werden - aber genau DAS kann sich die junge Frau ja eben auch gar nicht leisten.

  3. In den vergangenen Jahren sind die Rechnungsgrundlagen aufgrund der Niedrigzinsphase und der immer längeren Lebensdauer nicht besser geworden. Nicht mehr aufzutauende Verträge müssen gegen neue, mit niedrigerem Rentenfaktor, ersetzt werden.

  4. Aus den Augen aus dem Sinn - was beitragsfrei gestellt wurde, wird selten wiederbelebt. Es beginnt mehrfach neu die Phase der Amortisation - ohne echte Performance.

  5. Diese Erfahrungen machen unzufrieden, mürbe und verleiten zur vollständigem Aufgabe.

  6. Wenn viele Jahre später, im Angesicht “drohender” Rente, sagen wir Mitte 40, die Vernunft siegt, ist das Vorhaben, ausreichend viel Ruhestandsvermögen zu bilden oft unerschwinglich. Während 128 € und 4 % Performance pro Jahr ausreichen, um 150.000 € nach 40 Jahren zusammen zu haben, müssen mit 45 Jahren (wenn nur noch 22 Jahre bis zur Rente Zeit sind) 357 € gespart werden. Zudem kann mit 40 Jahren Zeit mehr Risiko eingegangen werden und mit einer höheren Rendite kalkuliert werden als bei einer kürzen Laufzeit. Wenn “nichts mehr schief gehen darf” muss mehr Vorsicht ins Anlagevorhaben, was eine geringere Performance mit sich bringt.

Immer mehr junge Familien teilen sich heute schon die Familienaufgaben und die Einkommensaufgaben anders auf als früher. Die finanzielle Unterstützung des Staates für junge Familien mit Elterngeld & Co. ermöglichen heute andere Perspektiven als früher. Viele junge Mütter kehren nach einem Jahr Elternzeit in ihren Beruf zurück. Allerdings oft in Teilzeit. Auch in Zukunft wird die Teilzeit und das dadurch eingeschränkte Familienbudget Ursache für das Gender Pension Gap sein.

Unternehmen sollten beim Fachkräftemangel zuallererst darüber nachdenken, wie ihre Teilzeitkräft (also Frauen) motiviert und unterstützt werden könnten, die zu besetzenden Aufgaben zu übernehmen. Dazu gehört es, viele einzelne, auch kleine, unscheinbare und noch nicht entdeckte Puzzelteile zu betrachten und kreative Ansätzen offen und zielorientiert zuzulassen.

Ich bin mir des Return of Investment absolut sicher!

Roundtable der Finanz-Frauen: Vorständin, Leiterin betriebliche Altersvorsorge, Expertinnen private und betriebliche Altersvorsorge, Maklerinnen, Steuerberaterin, Ökonomin - Expertise mit Erfahrung - auch als Frau

Zu einem Roundtable hatte ich anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2022 zum Thema Gender Pension Gap eingeladen: Frauen, die beruflich mit Frauen und Finanzen, Altersvorsorge zu tun haben. Ziel war ein Austausch, hinhören, zuhören und herausfinden, ob wir als Fachfrauen, als Expertinnen insbesondere im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge etwas gegen das Gender Pension Gap unternehmen können.

Informieren, aufklären und Mut machen, auch eigene, kreative Lösungen zu finden

Nähe von Entscheidern suchen und darüber sprechen, erläutern, um was es geht. Entscheider leben in einer anderen Welt und müssen die andere Seite der Medaille gezeigt bekommen.

Modelle anderer Länder betrachten: Unterschiede in den Rahmenbedingungen, im MindSet, was ist hier möglich?

Positionspapier in Richtung von politischen Gremien

Besondere Beratungsformate, die Raum zur Selbstverantwortung ermöglichen.

Vermögensbildung wie Tupperware - raus aus der männlichen Domäne und rein ins praktische Leben

Komplexe Inhalte in Stories verpacken

Rolemodels zeigen

Unternehmen beim Run um Fachkräfte unterstützen, diese im eigenen Unternehmen zu finden

Familie und Beruf - auch kleine Steps der Unterstützung helfen

Vermögensbildung barrierefrei ermöglichen

Financial Literacy

Wir werden uns wieder am Roundtable zusammensetzen und die Zukunft gestalten:

Die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen

Soziale und gesellschaftliche Verantwortung

USP und Vorsprung im War for Talents

Unsere gemeinsame Zukunft

Der nächste Roundtable kommt - ich werde berichten! Persönlich. Vertraulich. Sichtbar!

Cordula Vis-Paulus