Pfefferminzia Das war das bAV-Jahr 2021

Redaktion Pfefferminzia, 20.12.2021

Das war das bAV-Jahr 2021

Ob Pflichtzuschuss, wegbrechende Garantien oder eine sinkende Beitragsbemessungsgrenze – für die betriebliche Altersversorgung (bAV) war 2021 ein turbulentes Jahr. In einem Gastbeitrag wirft bAV-Expertin Cordula Vis-Paulus einen augenzwinkernden Blick zurück.

Lachen und weinen lagen

2021 dicht beieinander. Zuerst stand der Pflichtzuschuss auf der Karte. Auch wer seine bAV-Kunden gut im Griff hatte, musste an dieses Thema ran. Und es ist ein komplizierter Punkt mit gefühlter Ungerechtigkeit, denn das Gesetz hatte einige Webfehler, die auszubaden sind. Aus meiner Sicht einer der kräftigsten Webfehler: Offensichtlich hatte keiner auf dem Schirm, dass es bereits Arbeitgeber gibt, die schon lange die Sozialversicherungsersparnis weitergeben.


Juristisch einwandfrei zu arbeiten, ist hin und wieder reichlich praxisfremd – die Branche wurde nicht müde zu schulen. Hemdsärmeligen Lösungsvorschlägen verweigerten sich die Juristinnen und Juristen. Am (vorläufigen) Ende wurde dieser Tage direkt vom „Lurse Round Table Frauen in der bAV“ – einem Netzwerk für Expertinnen aus Politik, Unternehmen, Verbänden, Ministerien und Gewerkschaften zum Thema – auf Linkedin gepostet, das Reduktionsmodell würde bei der Umsetzung des 15-prozentigen Pflichtzuschuss überwiegen, statt dass man die Arbeitgeber dazu animiert, ihren Mitarbeitern mehr Zuschuss zu zahlen, als die verlangten 15 Prozent.

Na Prost, die Damen!

Damit ist das Ziel des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) dann halt auch verfehlt. Ich warte nur darauf, dass die Bild-Zeitung dem unfähigen Versicherungsheini auf die Schliche kommt und in fetten Lettern anprangert: „Eine ganze Branche im Tiefschlaf. Vermittler verhindern Rentenverbesserung.“ Drei Jahre hatten die Berater Zeit, mit ihren Kunden über die Umsetzung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes zu sprechen – herausgekommen ist das Gegenteil. Statt mehr Geld in die betriebliche Altersversorgung zu pumpen, löst sich der Pflichtzuschuss in der verringerten Entgeltumwandlung auf.

Ist das zum Lachen oder zum Heulen?

Meine Kunden waren durchaus kreativ – wobei die auch schon Jahrzehnte gut dabei waren mit 20 Prozent Arbeitgeberzuschuss oder mehr. Einer hat jeden Mitarbeiter angeschrieben und ihm individuell ausgerechnet, was er gesetzlich zu bekommen hätte und was er wirklich bekommt. Das Mehr hat er sogar noch fett gedruckt und dann geschrieben, er würde nicht auf das gesetzlich vorgegebene Maß reduzieren, sondern freiwillig weiterhin gerne mehr bezahlen. Klaro, irgendwo im Text kam auch das Wort Sozialversicherungsersparnis vor.

Zum Heulen, diese Steuerberater!

Corona-Hilfe, Jahresabschlüsse, Abgabefristen – alles war wichtiger als eine ordentliche Umsetzung des BRSG. Am 1.12.2021 ist den Steuerberatern offensichtlich ein Türchen aufgegangen – wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Zitat „Hier muss aus unserer Sicht in Absprache mit der Versicherungsgesellschaft geprüft werden, ob bei Ihren Arbeitnehmern Handlungsbedarf besteht.“ Äh, nein, die Versorgungszusage gibt immer noch der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer. Der Versicherer ist nur das Sparschwein. Aber das werden die Versicherer diesem Steuerberater schon sagen.

Es gibt sie – die Guten

Was wir dieses Jahr auch gelernt haben, ist, dass Top-Unternehmen immer eine Top-bAV haben. Im Reality-Check bAV-Zuschuss 2021 hatten mir Top-bAV-Makler von ihren Top-Kunden berichtet: Was ihre besten bAV-Kunden beisteuern, weshalb sie das tun und welche erfolgsentscheidenden Punkte es gebe. Herausgekommen ist eine Orientierung für Unternehmen. Endlich schwarz auf weiß, was die anderen machen. Auf dieser Basis lässt es sich alsdann vortrefflich positionieren.

Ja, das funktioniert in der Praxis wirklich: Unternehmen verstehen die bAV als unterstützendes Werkzeug im „War for Talents“. Keiner wollte seither das Schlusslicht mit den beinahe niedlichen 15  oder 20 Prozent sein. Unternehmen investieren gerne in die Zukunft und legen heute locker 50  oder 100 Prozent auf den Tisch! Ja, das macht wirklich alle froh: Höhere Beiträge ergeben höhere Renten, höhere Zuschüsse ergeben höhere Beiträge, und es machen einfach mehr Leute mit. Das Unternehmen wertschätzt seine Mitarbeiter und bereitet Neuen einen guten Empfang, Mitarbeiter sind besser versorgt, und der Makler hat mehr Beitragssumme und Provision.

Weniger Garantie macht mehr Altersvermögen

Eine ganze Branche im Umbruch: Jahrzehntelanges Garantiedenken behindert zuerst die Branche und dann das ganze Land. Dabei darf man ganz genau hinhören – mancher Mitarbeiter fragt von sich aus nach weniger Garantie. Zwischen Strafzinsen und Systemrendite der bAV erschließen sich mit weniger Garantie flexiblere Kapitalanlagemöglichkeiten.

Die Aktienquote, das Chamäleon der Geldanlage. Eben noch beschimpft als Risiko, ja sogar unterteilt in ganz großes, mittleres oder kleines Risiko, wird ihr jetzt gar die Rolle der echten Sicherheit – auch für sicherheitsbedürftige Kunden – zugeschrieben. Um das zu verstehen, kommt es sehr darauf an, wo der Kunde unterwegs ist: im Grund- oder Leistungskurs Kapitalanlage.

Garantiezins sinkt um zwei Drittel

Blöd, dass der Garantiezins von fast nichts (0,9 Prozent) auf überhaupt fast gar nichts (0,25 Prozent) sinkt. Wer aber gedacht hat, das sei doch eigentlich eine gute Sache, dem sei ein Blick auf den Rentenfaktor empfohlen. 20 Prozent weniger ausgedruckte Garantie plus 10 Prozent geringerer Rentenfaktor ergibt garantiert 30 Prozent weniger Rente – auf Garantieebene betrachtet. Was sich nach einem Ausverkauf der Lebensversicherung anhört, ist nicht weniger als eine historische Zäsur. Weshalb die Versicherer sich zurückgehalten haben, dürfte klar sein. Wer zahlt schon freiwillig gerne mehr als er müsste.

Ist das der endgültige Abgesang der Garantie in der (betrieblichen) Altersversorgung? Die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) ist raus, ein Update wurde ihr (bisher) versagt – warum auch? Es gibt doch die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) und das Sozialpartnermodell zeichnet den Weg in garantiefreie Vorsorge und Zielrenten anstelle garantierter Renten vor.

Als schlechten Scherz könnte die sinkende Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der bAV-Praxis angesehen werden. Erstmalig in ihrer Karriere steigt die BBG nicht, nein, sie sinkt! Und damit sinkt der sozialversicherungsfreie Höchstbeitrag von 284 Euro pro Monat auf 282 Euro monatlich. Weitergedacht, macht das richtig Arbeit – und taugt nicht zum Werbeträger für pflegeleichte bAV. Die versprechen andere.

bAV goes digital

Was ist eigentlich eine digitale bAV? Ein digitale Beratungsstrecke, digitale Verwaltung, Videoberatung, digitale Selbstabschlussstrecke für Arbeitnehmer, digitale Selbstberatung für Arbeitgeber? Haben Sie Angst davor, dass Ihnen Mr. Digital den Kunden wegnimmt? Oder freuen Sie sich über Mr. Digital als Kooperationspartner?

Genaues Hinschauen lohnt sich: Schlingt sich Mr. Digital charmant an den Makler, um ihn zu supporten, ihm die Möglichkeit zu geben, Potenziale auf einer Ebene zu heben, an die er selbst nicht herangekommen wäre? Oder erweist sich der Anbieter als Hai im eigenen Pool?

Was wird 2022 anders in der bAV? Welche Themen werden bei den Arbeitgebern neu oder stärker in den Fokus kommen? Wer macht 2022 das bAV-Rennen? Dazu mehr in meinem persönlichen Ausblick auf das bAV-Jahr 2022.

Cordula Vis-Paulus